Unter http://justizwoche.blogspot.com/2006_02_01_archive.html findet sich die Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts dokumentiert, warum der Abschuss entführter Passagierflugzeuge mit der Verfassung unvereinbar ist.
Darin heißt es u.a.: "Unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürdegarantie) ist es schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosenLage befinden, vorsätzlich zu töten."
Die Entscheidung des höchsten Gerichts Deutschlands berücksichtigt alle Fallkonstellationen, die von Jung für seine Abschussforderung geltend gemacht werden. Da bleibt keine Regelungslücke, die einem Handeln im Wege des "übergesetzlichen Notstandes" Raum lassen könnte.
Dass der Bundesverteidigungsminister behauptet, die höchstrichterlich vollständig logisch gezogene Grundrechtsgrenze im Wege einer Verfassungsänderung oder auch ohne Verfassungsänderung im Wege des "übergesetzlichen Notstandes" übertreten zu dürfen, ist von einer beispiellosen Dreistigkeit - zumindest für die deutsche Nachkriegsgeschichte.
Wenn Jung glaubt, dass er sein Amt nicht auf dem Boden der Verfassung führen kann, dann muss er zurücktreten.
Wenn Jung glaubt, dass er sein Amt gegen die Verfassung führen dürfe, dann muss er abgesetzt werden.
Vorrangig die Bundeskanzlerin steht in der Pflicht, die Situation zu klären. Tut sie das nicht, müssen die anderen Verfassungsorgane gegen die Bundesregierung Klage erheben. (msr)
Diskussion >> http://52931.rapidforum.com/topic=100170989889
18 September 2007
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2 Kommentare:
DOKUMENTATION von WikiNews zur BVerfGE:
Bundesverfassungsgericht entschied gegen Luftsicherheitsgesetz
Karlsruhe (Deutschland), 15.02.2006 – Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem heutigen Urteil gegen den Paragraphen 14 des Luftsicherheitsgesetzes entschieden. Die mit den Stimmen der damaligen rot-grünen Mehrheit im Bundestags beschlossene Änderung sieht vor, dass entführte Flugzeuge abgeschossen werden dürfen, wenn dadurch ein noch größerer Schaden abgewendet werden kann. Hintergrund für die Gesetzesänderung sind die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in den USA.
Die Verfassungsbeschwerde war von sechs deutschen Bürgern eingereicht worden. Begründet wurde das Urteil mit der Menschenwürde (erster Artikel des Grundgesetzes) und der Unsicherheit bei der Beurteilung einer entsprechenden Situation. Die Menschen in einem möglicherweise entführten Flugzeug könnten nichts für ihre Entführung und seien somit nicht für ihre Lage mit dem Tod zu bestrafen. Nicht nur die möglichen Opfer am Boden haben ein Recht auf Leben, sondern auch die Geiseln im Flugzeug.
Beim Bundesverfassungsgericht waren insgesamt sechs Klagen eingereicht worden. Zwei davon kamen von den beiden FDP-Politikern Burkhard Hirsch und Gerhart Baum. Weitere Kläger waren Vielflieger und Privatpiloten.
Die FDP hatte damit argumentiert, dass eine Abwägung „Leben gegen Leben“, also das absichtliche Töten von Menschen, um Menschenleben zu retten, dem deutschen Rechtssystem fremd sei. CDU/CSU-Politiker hatten eine Grundgesetzänderung wegen dieser Angelegenheit gefordert. Die SPD hielt eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes auch ohne Grundgesetzänderung für richtig. Der SPD ging es auch darum, die Zustimmungspflicht des Gesetzes durch den Bundesrat zu vermeiden. Bundespräsident Horst Köhler hatte das Gesetz zwar unterzeichnet, aber gleichzeitig Bedenken angemeldet und eine Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht empfohlen.
DOKUMENTATION von WikiNews zur damaligen Debatte:
Von Terroristen entführte Flugzeuge doch abschießen?
Berlin (Deutschland), 21.02.2006 – Nach dem Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz geht die Diskussion in der Bundeshauptstadt über die Frage eines möglichen Einsatzes der Bundeswehr gegen terroristische Angriffe aus der Luft weiter. Die Option eines Abschusses von Zivilflugzeugen, die von Terroristen über deutschem Gebiet entführt wurden, bleibt offensichtlich auf dem Tisch.
Ein möglicher Abschuss eines solchen Flugzeuges durch die Bundesluftwaffe war vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden, insoweit die Regelung des Luftsicherheitsgesetzes hier anzuwenden wäre. Das Karlsruher Gericht hatte eine Abwägung zwischen möglichen Opfern eines Terrorangriffs und den Toten, die ein Militärschlag gegen eine solche von Terroristen entführte Maschine mit sich brächte, mit Hinweis auf die grundgesetzlich verankerte Menschenwürde für unzulässig erklärt.
Hier hat nun offenbar der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz ein Schlupfloch für eine abweichende Interpretation gefunden, die es ermögliche, als Ziel die Möglichkeit einer militärischen Abwehr eines Terrorangriffes aus der Luft beizubehalten. Er argumentiert, bei Terrorangriffen aus der Luft gälten die Regeln der Landesverteidigung. Das Bundesverfassungsgericht habe lediglich über ein nicht-kriegerisches Szenario entschieden. Als weitere Unterstützung für sein Argument führt der SPD-Politiker die Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit dem Angriff auf das World-Trade-Center im Jahre 2001 an. Damals habe der Sicherheitsrat den USA das Recht auf Selbstverteidigung eingeräumt und auch die NATO habe den Bündnisfall festgestellt. Diese Aussagen machte Wiefelspütz gestern gegenüber der Zeitung „Die Welt“.
Auch der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erwägt eine weitere Untersuchung des Karlsruher Urteils bezüglich des Luftsicherheitsgesetzes. In diesem Zusammenhang erwägt er eine Grundgesetzänderung, während Wiefelspütz keine Notwendigkeit einer Änderung der Verfassung sieht.
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